Künstliches Kniegelenk: Was ist wichtiger der Chirurg oder das Prothesenmodell?

01.07.2021

Rolle des KÜNSTLICHEN KNIEGELENKs

Es gibt verschiedene Arten von künstlichen Kniegelenken, die in den Medien verschiedentlich angepriesen werden. So lesen wir entweder von den sogenannten individuellen massgeschneiderten Knieprothesen vom 3-D Drucker oder den Standardknieprothesen, auch Prothese ab der Stange genannt, welche es in unterschiedlichen Grössenabstufungen (2 bis 4mm Grössenunterschied) gibt. Zusätzlich können die Knieprothesen aus unterschiedlichem Material bestehen. Neben der Art der Knieprothese spielt aber auch die Operationstechnik, d. h. wie das künstliche Kniegelenk eingebaut wird, eine wichtige Rolle. So können wir das neue künstliche Kniegelenk entweder mithilfe von individuellen Schnittblöcken, Roboter, computernavigiert, weichteilorientiert oder eine Kombination davon einbauen.

Rolle des Chirurgen

Jeder Chirurg hat seine eigene Vorliebe bezüglich Art der Knieprothese und seiner Operationstechnik. Diese wird stetig angepasst. Das Wichtigste jedoch ist, dass Sie das Vertrauen in Ihren Operateur haben, diesen alles fragen können und er sich genügend Zeit nimmt, Ihnen die wichtigsten Schritte der Operation zu erklären sowie deren Vor- und Nachteile zu erläutern. In diesem Sinne ist es wichtiger, das Vertrauen in den Chirurgen zu haben als sich ein spezielles Knieprothesenmodell oder eine Operationsart zu wünschen. Die individuelle Betreuung sowohl vor, während als auch nach der Operation spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle und sollte durch den erfahrenen Kniechirurgen geschehen.

Gerne erklärt Ihnen Herr PD Dr. med. Andreas Oberholzer hier seine bevorzugte Operationstechnik sowie das entsprechende Knieprothesenmodell.

Eine Knieprothese besteht aus mindestens drei Komponenten

Ein künstliches Kniegelenk (kompletter Oberflächenersatz) besteht aus mindestens drei Komponenten. Der neue Knorpel ist aus Metall und schützt sowohl den Unterschenkelknochen (erste Komponente) als auch den Oberschenkelknochen (zweite Komponente). Die dritte Komponente ist aus Kunststoff und wird Inlay genannt. Dieses Inlay ist eine Kunststoffscheibe, die zwischen den beiden Metallkomponenten liegt und als künstlicher Meniskusersatz und auch bei gewissen Modellen als Kreuzbandersatz dient. Gelegentlich muss die Kniescheibenrückfläche ersetzt werden, die ebenfalls aus Kunststoff besteht (vierte Komponente).

Rolle der Seitenbänder

Damit ein künstliches Kniegelenk (kompletter Oberflächenersatz) überhaupt funktioniert, müssen die beiden Seitenbänder (innen und aussen) des Kniegelenks die gleiche Spannung haben. Die Spannung der Seitenbänder darf dabei nicht zu locker sein, sonst wird das Kniegelenk instabil und es kann zu vermehrtem Einknicken und Gangunsicherheit kommen sowie mit der Zeit zunehmenden stechenden Schmerzen. Durch das stetige Einknicken bekommt das künstliche Kniegelenk vermehrt Schläge ab, wodurch die Verankerung des künstlichen Kniegelenks im Knochen viel mehr belastet wird. Das kann zu einer frühzeitigen Lockerung des künstlichen Kniegelenks führen, mit wieder auftretenden belastungsabhängigen Schmerzen. Sind jedoch die Seitenbänder zu straff im Kniegelenk, führt das zu einer Bewegungseinschränkung des Kniegelenks sowie zu Schmerzen. Ist das eine Seitenband zu straff und das andere zu locker, kommt es zu einer Kombination der oben beschriebenen Symptome.

Die korrekte Einstellung der Seitenbänder spielt eine entscheidende Rolle für das Outcome des künstlichen Kniegelenks und folglich die Zufriedenheit und Lebensqualität des Patienten. Die Spannung der Seitenbänder lässt sich aber nicht anhand von Röntgen-, CT- oder MRT-Bildern planen, sondern muss während der Operation bestimmt und entsprechend ausgeglichen werden, bevor das künstliche Kniegelenk eingesetzt wird. Das ist das zentrale Ziel der weichteilorientierten Methode.

OP-Planung

Die Planung der Operation eines künstlichen Kniegelenks ist von entscheidender Bedeutung unabhängig vom Knieprothesenmodell (massgeschneidert oder Standard). Anhand der Röntgenbilder und der Ganzbeinaufnahme wird mithilfe eines Computerprogrammes bestimmt, wie die Knochenschnitte optimal gelegt werden, damit wieder eine gerade Beinachse hergestellt werden kann sowie welche Prothesengrösse am besten zu diesem Kniegelenk passt. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass das alles am defekten Kniegelenk mit entsprechender Achsenfehlstellung geplant wird. Das Computerprogramm kann gewisse Situationen simulieren, jedoch das tatsächliche Ausmass der Arthrose ist erst während der Operation ersichtlich. Zusätzlich kann die Spannung der Seitenbänder nicht geplant werden. Dementsprechend dient die Planung lediglich als wichtiges Hilfsmittel.

MESSUNG DER SEITENBÄNDER-SPANNUNG (WEICHTEILBALANCING)

Die neueren Knieprothesenmodelle zielen darauf ab, einerseits die Anatomie des Kniegelenks besser nachzuahmen sowie die Kniescheibenführung zu optimieren. So versuchen die neueren Inlay-Designs die natürliche Kinematik des Kniegelenks besser nachzuempfinden. Neuer ist die individuelle Knieprothese, welche anhand von Röntgenbildern, CT-Bilder oder MRT-Bilder vom defekten Kniegelenk vor der Operation geplant wird. Grössere Knorpel- und Knochendefekte werden vom Computerprogramm ausgeglichen und anhand von diesen Daten wird die individuelle massgeschneiderte Knieprothese moduliert. Diese Daten werden dann vom 3-D Drucker verarbeitet und so die individuelle Knieprothese gedruckt. Falls die Knochenschnitte während der Operation anders gelegt werden müssen, weil der Defekt oder die Abweichung grösser ist als ursprünglich angenommen, kann es sein, dass die ausgedruckte individuelle Kniegelenksprothese nicht genau passt und deshalb auf ein Standardmodell zurückgegriffen werden muss. Ein weiterer Nachteil dieser neuen Modelle ist, dass die Spannung der Seitenbänder (Weichteile) des individuellen Knies nicht im Voraus festgestellt werden kann. Diese Spannung der Seitenbänder kann sich im Verlauf der Operation nach entsprechenden Knochenschnitten ändern. Will man diese Weichteilspannung ausgleichen, so kann diese durch Lösen von Vernarbungen oder durch eine knöcherne Nachresektion geschehen. Das kann wiederum zur Folge haben, dass die geplante individuelle Knieprothese nicht mehr optimal passt und durch eine Standardknieprothese ersetzt werden muss.

Mit den konventionellen Knieprothesen (Standardknieprothese), die eine feinere Grössenabstufung haben, ist das anders. Während der Operation kann die Spannung der Seitenbänder genau bestimmt und entsprechend korrigiert werden. Anschliessend kann anhand der gegebenen Knochenschnitte die richtige Grösse der Knieprothese abgeleitet werden.

Das individuelle Ausgleichen der Seitenbänder spielt eine entscheidende Rolle für die Stabilität des künstlichen Kniegelenks. Die Kräfte der beiden Seitenbänder werden nach dem Knochenschnitt des Unterschenkels (Tibia) und wiederhergestellter gerader Beinachse in Beugung und in Streckung des Kniegelenks mithilfe eines Weichsteilspanners gemessen und durch sorgfältiges Ablösen des vernarbten Seitenbandes ausgeglichen. Mit diesem Ausgleichen der Seitenbänder-Spannung während der Operation (Weichteilbalancing) wird das künstliche Kniegelenk gleichmässig belastet, was zu weniger Abrieb des Kunststoffes, mehr Stabilität und Sicherheit sowie weniger Schmerzen führt. In näherer Zukunft wird die Spannung der Seitenbänder während des ganzen Bewegungsumfanges des Kniegelenks elektronisch gemessen. So kann aufgezeigt werden, welchen Einfluss die knöcherne oder weichteilmässige Korrektur auf die Weichteilspannung hat. Es ist sogar möglich, die Weichteilspannung nach dem Einsetzen des künstlichen Gelenks zu messen und so zu zeigen, dass die Seitenbänder ausgelichen sind und das neue künstliche Kniegelenk gleichmässig belaste wird.

Im folgenden Video erklären wir Ihnen die weichteilorientierte Operationsmethode, die von Herrn PD Dr. med. Andreas Oberholzer angewendet wird:

COMPUTERNAVIGATION UND ROBOTER

Um das künstliche Kniegelenk besser zu platzieren, helfen einerseits der intraoperative Gebrauch von Computernavigation, anderseits individuelle Schnittblöcke, welche vor der Operation anhand von Röntgenbildern, CT- oder MRT-Bilder angefertigt werden. Dadurch kann die Position der Prothese besser ausgerichtet werden. Aber auch hier nehmen diese Hilfen keine Rücksicht auf die Seitenbänder-Situation des Knies. Um noch präzisere Schnitte durchzuführen, folgt der Einsatz eines Roboters. Bis jetzt haben diese neueren Techniken gegenüber der herkömmlichen Methode aber keine wesentlichen Verbesserungen gebracht. Was jedoch gezeigt wurde ist, dass das Weichteilbalancing, das heisst der Ausgleich der Seitenbänder eine entscheidende Rolle spielt.

Von diesem weichteilorientierten Konzept ist Herr PD Dr. med. Andreas Oberholzer seit mehreren Jahren überzeugt und setzt es konsequent um. Er bildet andere Ärzte aus und treibt die Forschung und Entwicklung in dieser Richtung voran. Er legt dementsprechend besonders viel Wert auf einen optimalen Ausgleich der Seitenbänder während der Operation in Streckung sowie in Beugung des Kniegelenks. PD Dr. med. Andreas Oberholzer ist auch ein Befürworter von körperverträglichen Knieprothesen. Bei vielen der neuen Prothesen und Techniken fehlen die Langzeitresultate. Am wichtigsten ist, dass Sie sich an einen erfahrenen Orthopäden wenden, der Ihnen die verschiedenen Optionen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen erklärt und der für Sie die beste Lösung vorschlagen kann.

Erfahrungsberichte

Erfahrungsberichte (inklusive Video-Story von unseren ehemaligen Patienten), finden Sie hier.

Wir beraten Sie gerne persönlich

Unsere Ärzte weisen langjährige Erfahrung und hohe Kompetenz in der Sport- und Gelenkchirurgie auf. PD Dr. med. Andreas L. Oberholzer ist ausgewiesener Knieexperte und verfügt über grosse Erfahrung auf dem Gebiet des künstlichen Kniegelenks. 

Wir gewährleisten eine rasche, fachlich kompetente Abklärung und Beratung sowie eine Behandlung nach den modernsten Möglichkeiten. Gerne dürfen Sie bei uns auch eine Zweitmeinung einholen.

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PD Dr. med. Andreas L. Oberholzer

Zentrum für Gelenk- und Sportchirurgie
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