Schlaf-Apnoe-Syndroms

04.09.2019

Abklärung und Therapie des Obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms (OSAS)

Das Obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS) ist eine häufige Erkrankung, bei der nächtliche Atemstörungen im Zusammenhang mit Schnarchen zu einem Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut führen. Dies kann weitreichende Folgen für das Allgemeinbefinden und für die Gesundheit nach sich ziehen. Nach sorgfältiger Abklärung kann die Krankheit jedoch durch verschiedene konservative und operative Massnahmen behandelt und in bestimmten Situationen sogar ursächlich und definitiv behoben werden.

Das Obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS) stellt eine zunehmend häufigere Erkrankung dar, die zu Beginn gelegentlich falsch eingeschätzt und nicht selten sogar unterschätzt wird. Nach Angaben der schweizerischen Lungenliga ist das OSAS die wichtigste schlafbezogene Atemstörung überhaupt und betrifft bis zu vier Prozent der Bevölkerung in der Schweiz. Dabei kommt es zu einem Kollaps der oberen Atemwege, meist auf Höhe des Zungengrunds, bedingt durch die völlige Erschlaffung der Zungen-, der Mundboden- und Schlundmuskulatur. Da die Symptome recht unspezifisch sein können, ist die korrekte Erfassung und Interpretation der Befunde von zentraler Bedeutung. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen beteiligten ärztlichen Fachrichtungen ist unabdingbar, um eine bestmögliche und individuelle Therapieform für jeden Patienten herausarbeiten zu können. Dabei kann der Kiefer- und Gesichtschirurg dank verschiedener Behandlungsoptionen aus seinem Fachgebiet einen wertvollen Beitrag zum Wohle des Patienten leisten.

Symptome und Folgeerkrankungen

Das Leitsymptom ist die Tagesschläfrigkeit, gepaart mit zunehmenden Konzentrationsstörungen und einem Leistungsknick. Die Patienten klagen darüber, dass sie sich nicht erholt fühlen, obwohl sie lange genug geschlafen haben. Sie riskieren, beim Autofahren, im Kino, beim Lesen, beim Theaterbesuch oder gar bei der Arbeit einzuschlafen. Die Bettpartner beschreiben fast immer lautes Schnarchen mit teilweise eindrücklichen Atempausen, aus denen der Betroffene gelegentlich selbst aufschreckt oder nach denen er aus Sorge vom Partner geweckt werden muss. Dadurch leiden nicht nur die Patienten selbst, sondern auch ihre Angehörigen. Die Folgen eines unbehandelten OSAS sind vielfältig und umfassen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Herzinfarkt sowie Schlaganfall. Ebenso beschrieben sind Zusammenhänge mit Diabetes mellitus, Migräne, erektiler Dysfunktion, Depression u. a. m.

Abklärung und Diagnostik

Die Abklärung des Obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms umfasst nebst einer orientierenden allgemeinmedizinischen Untersuchung, die meist vom behandelnden Hausarzt übernommen werden kann, das Erheben der spezifischen Anamnese mit besonderem Augenmerk auf die Schlafgewohnheiten. Mithilfe von geeigneten und standardisierten Fragebögen (z. B. Epworth Sleepiness Scale, ESS), die in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen ihre Aussagekraft unter Beweis stellen konnten, kann das individuelle Risiko, tatsächlich an einem OSAS zu leiden, abgeschätzt und quantifiziert werden. Bei der klinischen Untersuchung wird die Stellung der Kiefer zueinander erfasst und beurteilt. Die oberen Atemwege, d. h. der Mund- und Rachenraum sowie die Nasenhaupthöhlen und die dahinter liegenden Abschnitte, werden endoskopisch angeschaut. An unserem Zentrum besteht die Möglichkeit, mithilfe einer digitalen Volumentomografie (DVT) eine dreidimensionale Darstellung der gesamten relevanten Anatomie zu erhalten: Damit kann eine Aussage gemacht werden über die vorherrschenden skelettalen Bedingungen, über den Querschnitt der Atemwege auf Höhe des Zungengrunds, aber auch über allfällige Erkrankungen der Kieferhöhlen und über anatomisch bedingte Behinderungen der Nasenatmung.

Nächtliche Selbstmessung

Wenn die erhobenen Befunde zusammen mit der Anamnese das Vorliegen eines Schlaf-Apnoe-Syndroms vermuten lassen, kann mithilfe einer sog. ambulanten Polygrafie die Diagnose weiter erhärtet werden. Wir verwenden in unserer Sprechstunde ein einfaches und zuverlässiges kleines Gerät. Damit kann der Patient nach kurzer Instruktion für eine oder zwei Nächte zu Hause die folgenden Messungen vornehmen: die Atemtätigkeit während des Schlafs, die Sauerstoffsättigung im Blut und die Pulskurve. Die Evaluation der Resultate erfolgt dann mit Unterstützung einer geeigneten Software und kann bereits anlässlich der nächsten Konsultation mit dem Patienten besprochen werden. Sollten noch Unklarheiten bezüglich der Diagnose oder noch weitergehende diagnostische Massnahmen  notwendig sein, erfolgt die Überweisung an ein spezialisiertes Schlaflabor. Wenn hingegen die Diagnose des Obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms bestätigt werden kann, können die weiteren therapeutischen Schritte gemeinsam festgelegt werden.

Konservative Therapie

Die ersten Behandlungsschritte umfassen zunächst gewisse Verhaltensmassnahmen wie z. B. die Einschränkung des abendlichen Alkoholkonsums, die Umstellung der Ernährung im Hinblick auf eine Gewichtsreduktion bei vorliegendem Übergewicht oder auch nächtliche Lagerungshilfen, die das Schlafen in Rückenlage verhindern. In vielen Fällen kann durch eine einfache Zahnschiene, welche den Unterkiefer in eine Vorlage bringt (sog. Protrusionsschiene), der Kollaps der Atemwege auf Höhe des Zungengrunds bereits verhindert werden. Das von uns verwendete Modell (Narval®) wird anhand eines Abdrucks von Ober- und Unterkiefer durch ein CAD-CAM- Verfahren individuell für den Patienten hergestellt und garantiert so bestmögliche Passgenauigkeit und Tragekomfort. Die Schiene ist pflegeleicht und einfach in der Handhabung. Das Ausmass der Vorbewegung des Unterkiefers kann individuell eingestellt und schrittweise angepasst werden, bis die bestmögliche Wirksamkeit erreicht wird. Viele Patienten können bereits mit dieser einfachen Massnahme rasch und erfolgreich behandelt werden, ohne dass weitere operative Massnahmen ergriffen werden müssen.

«Das OSAS ist eine mit Schnarchen assoziierte, weitverbreitete Erkrankung, die unerkannt und unbehandelt ernsthafte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann.»

Die Standard-Therapie, die von pneumologischer Seite verschrieben wird, ist die nächtliche Überdruckbeatmung mittels CPAP (Constant Positive Airway Pressure). Dabei wird mit einem Gerät, über eine individuell angepasste, die Nase dicht umschliessende Maske ein konstanter Überdruck während der Ein- und Ausatmungsphase aufrechterhalten, der den Kollaps der oberen Atemwege verhindert (vgl. Abb. 1). Dank der Weiterentwicklung der modernen Geräte kann sichergestellt werden, dass der Tragekomfort verbessert und die Geräusch- emissionen minimiert werden, sodass der Bettpartner nicht über Gebühr strapaziert wird. Auch gibt es Geräte, die prob-lemlos auf Reisen und im Urlaub mitgeführt werden können. Dennoch ist diese lebenslange Therapie für einen Teil der Betroffenen auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten.

CPAP (Constant Positive Airway Pressure)Abb. 1

Operative Massnahmen

Wenn die oben beschriebenen Massnahmen nicht ausreichen-den Erfolg bringen oder wenn die anatomischen Begebenhei-ten diese von Anfang an als nicht erfolgsversprechend erschei-nen lassen, kann ein operativer Eingriff notwendig sein. Als Erstes sollte sichergestellt werden, dass die freie Nasenatmung unbehindert möglich ist und nicht durch eine Mundatmung, bei welcher der Unterkiefer zwangsläufig in eine retrale Lage fällt, kompensiert werden muss. Nicht selten besteht das Haupthindernis für den Lufteinstrom nicht nur im Bereich der Nasenscheidewand (Septum) oder der Nasenmuscheln (Conchae), sondern in der anatomischen Enge des Eingangs zur Nasenhaupthöhle. Als Kieferchirurgen sind wir in der Lage, durch einen nicht belastenden und lokal begrenzten Eingriff den Eingang zur Nasenhaupthöhle dauerhaft zu erwei-tern, um so einen problemlosen Einstrom der Luft durch die  Nase zu gewährleisten. Der gelegentlich sogar ambulant durch-geführte Eingriff in Vollnarkose wird durch einen kleinen Schnitt im Bereich des Mundvorhofs vorgenommen und kann entweder einseitig oder bei Bedarf beidseitig durchgeführt werden. Dabei wird der untere einengende Anteil der knöchernen Begrenzung der sog. Apertura piriformis dargestellt, mit einem geeigneten Instrument beweglich gemacht, lateralisiert und mit einem kleinsten Titanplättchen refixiert (vgl. Abb. 2). Dabei wird sorgfältigst darauf geachtet, die angeheftete Schleimhaut der Nasenwand nicht abzulösen, damit sie der Bewegung der knöchernen Unterlage vollständig folgen kann. Die mit diesem Eingriff verbundene Arbeitsunfähigkeit beträgt ca. eine Woche, und die Nachbehandlung umfasst lediglich die Entfernung der notwendigen Tamponade nach einer Woche und die Entfernung der Fäden nach zwei Wochen.

kleinsten TitanplättchenAbb. 2

Vorverlagerung der Kiefer

Wenn das Obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom mit der Protrusionsschiene nicht ausreichend behandelt werden kann, wenn die Nasenatmung unbehindert gewährleistet ist und die Standard-Therapie mittels nächtlicher Überdruckbeatmung (CPAP-Therapie) nicht länger eine Option darstellt, besteht die Möglichkeit, durch eine operative Vorverlagerung von Unterkiefer und Oberkiefer die Krankheit dauerhaft und kausal zu therapieren. In einer breit angelegten Studie mit Beteiligung aller involvierten Spezialdisziplinen auf europäischer Ebene konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass die sog. bimaxilläre Operation die mit Abstand höchste Erfolgsquote aufweist. Sie ist deshalb als einzige operative Massnahme dem Gold-Standard der Behandlung des OSAS mit nächtlicher Überdruckbeatmung ebenbürtig.Offener Atemweg während des Schlafes, Blockierter Atemweg Abb. 3: Offener Atemweg während des Schlafes vs. Blockierter Atemweg

Die operative Verlagerung von Unter- und Oberkiefer nach vorne führt zu einer Vergrösserung des Querschnitts der Atemwege auf Höhe des Zungengrunds und zu einer Veränderung der Muskelspannung in diesem Bereich, sodass der Kollaps der Atemwege ursächlich und dauerhaft verhindert werden kann. Die Kieferverlagerung mittels verschiedener Umstellungs- Osteotomien gehört zum «daily business» der kiefer- und gesichtschirurgischen Tätigkeit und wird routinemässig in unterschiedlichen Kombinationen durchgeführt. Die angewendeten Methoden (LeFort I-Osteotomie, Sagittale Spaltung, Distraktionen) sind wohl erprobt, zuverlässig und sicher. Allen gemeinsam ist, dass in einer Vollnarkose die zahntragenden Anteile von Ober- und/oder Unterkiefer an geeigneter Stelle gezielt durchtrennt, gemäss einer sorgfältigen Planung repositioniert und mit kleinen Schräubchen und Plättchen refixiert werden. Alle Eingriffe werden über Zugänge in der Mund-höhle durchgeführt und hinterlassen keinerlei sichtbare Narben im Gesicht. An unserem Zentrum werden sie zudem mit modernen Verfahren kombiniert, die zu voraussagbaren und wiederholbaren guten funktionellen und ästhetischen Resulta-ten führen. Die Kombination mit einer kieferorthopädischen Zahnstellungskorrektur ist in vielen Fällen nicht zwingend, aber gelegentlich wünschenswert. Mittels der heute verfügbaren, z. T. unsichtbaren Zahnspangen kann dies gerade in der Erwachsenenbehandlung diskret und für die Umgebung unauffällig durchgeführt werden. Auch bei dieser Art von Operation beträgt die durchschnittliche Erholungszeit und Arbeitsunfähigkeit ca. zwei Wochen bis zur Entfernung der Fäden. Der positive Effekt für die nächtliche Atmung stellt sich unmittelbar ein und wird von den meisten Patienten und ihren Angehörigen bereits nach wenigen Tagen durch das Wegfallen des Schnarchens als hörbar und durch die rasche Abnahme der Tagesmüdigkeit als spürbar beschrieben.

Fazit

Das Obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom ist eine mit Schnarchen assoziierte, weitverbreitete Erkrankung, die unerkannt und unbehandelt ernsthafte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann. Sie kann jedoch heutzutage rasch und zuverlässig abgeklärt und diagnostiziert sowie gut behandelt werden.

Weitere Informationen finden Sie im Fachgebiet Kiefer- und Gesichtschirurgie.

 

Dr. med. et Dr. med. dent. Daniel Brusco
Facharzt FMH für Kiefer- und Gesichtschirurgie

Kiefer - Gesicht - Ästhetik
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