Hammerzehen: Kleine Plagegeister mit grosser Wirkung

16.09.2019

Neue Implantate und Behandlungsmethoden

 
Hammerzehen fallen optisch viel weniger auf als ein Hallux valgus und werden auch von den Chirurgen oftmals als Nebendiagnose eingestuft. Die betroffenen Patienten sehen dies aufgrund der massiven Beschwerden, die eine Hammerzehe bereiten kann, ganz anders. Die effiziente Behandlung einer respektive mehrerer solcher Hammerzehen ist kein Nebenschauplatz und kann recht anspruchsvoll werden.

Beschränkte man sich früher generell darauf, das vorstehende Gelenk einfach mit einer Zange sozusagen «herauszuknipsen» (mit häufig miserablen Ergebnissen), bestehen heute differenziertere Behandlungsmöglichkeiten, die zwar für den Chirurgen anspruchsvoller sind, aber den Patienten sowohl funktionell als auch optisch zu deutlich besseren Resultaten verhelfen.

Ursachen von Hammerzehen

Meist gehen diese mit Spreizfüssen einher und treten demzufolge, wie auch ein Hallux valgus, vorzugsweise bei Frauen ab ungefähr dem fünfzigsten Lebensjahr auf. Sicherlich spielen dabei zu kleine oder sonst schlecht passende Schuhe eine Rolle, meist aber sind diese Probleme vererbt. Ein gleichzeitig bestehender Hallux valgus ist meistens der direkte Auslöser einer Deformität der zweiten Zehe: Drückt er diese nach aussen, weicht sie einerseits zurück und andererseits nach oben oder unten aus und verkrümmt sich dabei so, dass das Mittelgelenk nach oben und das Grundgelenk nach unten gedrückt werden. Verbleibt die Zehe über Monate und Jahre in dieser Stellung, wird das Gelenk langsam steif und stark geschädigt. Auch die umgebenden Strukturen leiden, indem sie sich ver-kürzen und ihre Elastizität verlieren – so ist die Hammerzehe mit der Zeit fixiert und kann gar nicht mehr in Streckstellung gebracht werden, auch nicht mit Gewalt. Wie im Domino können schliesslich die Nachbarzehen drei und vier ein ähnliches Schicksal erleiden. Dadurch wird das Tragen von Schuhen zur echten Tortur, insbesondere dann, wenn sich an den «Höckern» der Hammerzehen durch Druck und Reibung in den Schuhen Hühneraugen bilden, die zusätzlich schmerzen.

Weitere Schmerzen können an der Fusssohle unter den Köpfchen der Mittelfussknochen entstehen, wenn dort wegen des Druckes der Hammerzehen Schwielen entstehen, die trotz Pediküre nicht definitiv wegzubringen sind. Weitere Ursachen, die eine Hammerzehen-Deformität auslösen können, sind zum Beispiel angeborene Überlängen von Zehen oder neurologische Schädigungen. Diese sind aber eher selten – die Folgeerscheinungen bleiben jedoch immer die gleichen.

Moderne Therapiemöglichkeiten

Wie oft in der Medizin oder Chirurgie bestehen verschiedene Ansätze, um befriedigende Resultate der Hammerzehen-Korrektur zu erreichen. Eines ist allerdings allen gemeinsam: Eine (funktionelle und optische) Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ist auch heute aufgrund des stark geschädigten Mittelgelenks nur selten möglich. Hingegen darf ein optisch schönes und funktionell ein mindestens befriedigendes, sicher jedoch schmerzfreies Resultat erwartet werden. Dafür existieren heute gute Methoden. Auf die wichtigsten davon werde ich in der Folge näher eingehen. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass ein gleichzeitig bestehender Hallux valgus mit der Hammerzehe zusammen korrigiert werden muss, da er wie oben aufgeführt in den meisten Fällen für die Entstehung einer solchen verantwortlich ist.

Versteifung des Mittelgelenks

Das Prinzip dieses Eingriffs ist nicht neu, es wird schon seit langer Zeit angewendet; die Methodik und die dafür verwendeten Implantate jedoch schon. Da das Mittelgelenk bei fixierten Hammerzehen so oder so praktisch versteift und in den meisten Fällen massiv degenerativ verändert ist, kann es ohne Nachteil «geopfert» werden. Die definitive Versteifung erfolgt dann in einer funktionell guten Stellung, was ein schmerzfreies und optisch schönes Resultat gewährleistet. Zur Fixation musste man sich bis vor nicht allzu langer Zeit mit Drähten behelfen, die in die betroffene Zehe von vorne her eingebohrt wurden und nach vier bis sechs Wochen wieder entfernt werden mussten. Dies war oftmals mit Schmerzen, erhöhter Infektgefahr und hie und da sogar Brüchen der Drähte oder mit Instabilität verbunden. Zudem war das Entfernen der Drähte nicht immer sonderlich angenehm. Heute existieren diverse Implantate, die mehr oder weniger sicher eine Versteifung in korrekter Stellung gewährleisten. Praktisch alle fixieren das Gelenk jedoch lediglich in zwei Achsen – ist das Implantat nicht beim ersten Versuch korrekt eingebracht, hält es nicht mehr; auch in osteoporotischem Knochen ist ein sicherer Halt nicht immer garantiert. Seit inzwischen rund zwei Jahren verwende ich aufgrund solcher negativer Erfahrungen ein neuartiges System, bei dem das Implantat nicht nur eingesteckt, sondern eingeschraubt wird. Zudem besteht es aus zwei Teilen, die separat je in das Grund- und Mittelglied eingeschraubt und am Schluss nach Kontrolle der Stellung zusammengesteckt werden. Ist die Stellung dennoch einmal nicht optimal, können die zwei Komponenten mühelos wieder voneinander gelöst werden, die Stellung lässt sich korrigieren, und die Komponenten können wieder zusammengesetzt werden. Ein sicherer Halt ist durch die konische Form der Schraube im Mittelglied, wo der Sitz des Implantats besonders kritisch ist, gegeben. Die Nachbehandlung ist denkbar einfach: Zwei Wochen, d.h. bis zur gesicherten Wundheilung, sollten Schuhe mit einer steifen Sohle und genügend Raum für die Zehen getragen werden, dann kann wieder auf «normales» Schuhwerk gewechselt werden.

Abb. 1 u. 2: Der rechte Fuss einer Patientin, deren beide Füsse vor Jahren regelrecht verpfuscht wurden und die zunehmend Schmerzen in den Schuhen von Seiten der krummen Hammerzehen verspürt.

Abb. 3 u. 4: Der gleiche Fuss sechs Monate später: Die Patientin ist vollständig schmerzfrei. Die Zehen stehen dank der Implantate in den Zehen zwei bis vier sowie der Nachkorrektur der Grosszehe wieder so gerade, dass die Patientin sich wieder getraut, offene Schuhe zu tragen.

Abb. 5 u. 6: Hallux valgus, luxierte Hammerzehe 2 mit gerissener plantarer Platte sowie Hammerzehe 3.

Abb. 7 u. 8: Derselbe Fuss nach einem Jahr: Eine kombinierte Korrekturoperation mit Geradestellung des Hallux valgus (Urheber der Hammerzehen durch Verdrängung), Reparatur der plantaren Platte 2 mit Versteifung der Hammerzehe und letztlich Weil-Osteotomie 3 brachten die gewünschte schöne Form und die Schmerzfreiheit bereits drei Monate nach dem Eingriff.

Verkürzung der Mittelfussknochen (Weil-Osteotomie)

Auch diese Methode ist nicht völlig neu, gehört aber mit der weiter unten folgenden zu den wichtigsten Korrekturverfahren. Sie kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn die Mittelfussknochen des zweiten bis vierten Strahles gegenüber demjenigen der Grosszehe zu lang sind. Durch ein dadurch entstehendes Ungleichgewicht von Druckverteilung im Vorfuss und von Kräften insbesondere beim Abrollen entstehen oft neben den üblichen Hammerzehen-Beschwerden zusätzlich Schmerzen unter den Köpfchen der betroffenen Mittelfussknochen; die Patienten haben dann oft das Gefühl, direkt auf dem Knochen zu gehen und zu stehen, da durch die chronische Überbelastung einerseits das Fettpolster der Fusssohle schrumpft und andererseits Schwielen genau an diesen Stellen entstehen, was natürlich zusätzlich Druckschmerzen bereitet. Durch die Verkürzung der betroffenen Mittelfussknochen kann in den meisten Fällen Abhilfe geschaffen werden: Als Folge der Verkürzung wird die Hauptbelastungszone nach hinten verlagert, wo ein besseres Polster besteht. Die Bänder und Sehnen werden entlastet, was ein Strecken der Zehe erlaubt. Durch Verkürzen mehrerer Mittelfussknochen kann eine «Harmonisierung» des Vorfusses mit homogen verteiltem Druck erreicht werden. Damit verschwindet die Überbelastung einzelner Mittelfussknochen. Die Nachbehandlung der Weil-Osteotomien ist ebenfalls einfach, allerdings dauert sie länger. Es müssen Vorfuss-Entlastungsschuhe für vier Wochen getragen werden, damit die Mittelfussköpfchen wieder einwandfrei anheilen können. Zudem empfiehlt es sich, während etwa zwei Monaten eine physikalische Therapie durchzuführen, um die Gelenke zu mobilisieren und den postoperativen Schwellungen entgegenzuwirken.

Abb. 1: Das Implantat zur Versteifung der Hammerzehen im fünfmal vergrösserten Modell und im Original in zerlegtem Zustand, in dem es auch eingebracht wird.

Abb. 2: Dasselbe in zusammengesetztem Zustand (vergleiche auch Röntgenbilder oben).

CPR (Complete Plantar Plate Repair)

Zur Stabilisierung der Zehengrundgelenke hat jedes Gelenk auf der Unterseite ein stabiles Band, das ein übermässiges Strecken der Zehen nach oben verhindert. Es ist einerseits am vorderen Ende der Mittelfussknochen und andererseits an der Basis der Zehengrundglieder angewachsen (analoge Bänder finden sich übrigens auch an den Vorderseiten der Fingergelenke, die man auch nicht beliebig nach hinten biegen kann). Immer wieder kommt es im Rahmen einer Vorfussdeformität bei Spreizfüssen zu extremen Belastungen der Hammerzehen. Dadurch können diese Bänder reissen (oftmals wird dies von betroffenen Patienten deutlich verspürt und ist entsprechend schmerzhaft). Die betroffenen Zehengrundgelenke werden dann mitsamt dazugehöriger Zehe völlig instabil und können nebst respektive wegen der starken Fehlstellung massive Bechwerden hervorrufen. Im Extremfall gleiten die betroffenen Zehengrundglieder nach oben aus der Pfanne hinaus, was zu noch mehr (Druck-)Schmerzen führt, da sie dann über die Mittelfussknochen zu liegen kommen. Bis vor kurzem war es aus technischen Gründen beinahe unmöglich, diese gerissenen Bänder wieder zu befestigen, denn unterhalb der Zehengrundgelenke ist der Platz äusserst beschränkt, sodass eine Naht in konventioneller Art einfach nicht möglich war. Man musste sich in den meisten Fällen auf eine Weil-Osteotomie beschränken, um durch die Verkürzung der Mittelfussknochen wieder genügend Platz für das Zehengrundglied zu schaffen.

Eine innovative Firma hat nun eine Art «Hand-Nähmaschine für Einzelstiche» entwickelt, dank der es möglich geworden ist, die gerissenen Bänder auch unter diesen engen Platzverhältnissen wieder so zu befestigen, dass sie einheilen können. Diese Operation muss aus Platzgründen dennoch zwingend mit der Weil-Osteotomie kombiniert werden, was bedeutet, dass der Eingriff zwar äusserst wirkungsvoll ist, jedoch einen ordentlichen technischen Aufwand bedingt. Ist dann das Mittelgelenk zusätzlich degeneriert und steif, muss in dieses allenfalls auch ein Implantat eingebracht werden. Die Nachbehandlung dieser luxierten Hammerzehen mit gerissener plantarer Platte verläuft grundsätzlich analog zu derjenigen der Weil-Osteotomie. Allerdings empfiehlt es sich, die operierten Gelenke mindestens sechs Wochen zu schonen und insbesondere keine forcierten Dehnübungen durchzuführen, um die genähten Bänder nicht wieder zu beschädigen. Auch wenn diese Techniken doch recht anspruchsvoll sind, sind die damit erreichten Ergebnisse erfreulich gut. Es ist damit sogar möglich, schlechte Resultate nach bereits erfolgten Operationen zu korrigieren und zu verbessern.

Weitere Informationen finden Sie im Fachgebiet Fusschirurgie.

Autor: Dr. Urs Graf