Der Leistenbruch: häufig, unangenehm und nicht ganz ungefährlich

06.07.2021

Leistenbrüche gehören zu den häufigsten chirurgischen Krankheiten. Männer sind ca. neunmal häufiger davon betroffen als Frauen. Die Behandlung des Leistenbruchs erfolgt in aller Regel chirurgisch. In den meisten Fällen sind Leistenbrüche lästig und verursachen nur wenig bis keine Symptome. Trotzdem besteht immer die Möglichkeit, dass ein Leistenbruch einklemmt. Dann ist die Gefahr gross, dass die eingeklemmten Anteile kaum mehr durchblutet sind und innerhalb weniger Stunden absterben (Inkarzeration). Wenn Darmanteile betroffen sind, kann ein Leistenbruch auch heutzutage noch lebensgefährlich sein.
 

Ursache und Anatomie

Die genaue Ursache für das Auftreten von Leistenbrüchen ist bis heute nicht geklärt. Man weiss, dass diese familiär gehäuft vorkommen und eine gewisse Bindegewebsschwäche (angeboren oder erworben) vorhanden sein muss. Deshalb ist der Leistenbruch als Krankheit anzusehen. Durch solche Bindegewebsschwächen kommen Krampfadern, Hämorrhoiden oder Zwerchfellbrüche ebenfalls gehäuft vor. Die Ursache dafür, weshalb Männer bedeutend häufiger Leistenbrüche haben als Frauen, liegt darin begründet, dass sich der Hoden im hinteren Teil des Bauchraums entwickelt und dann durch den Leistenkanal in den Hodensack hinunter wandert (sog. Descensus testis). Der Samenstrang (Hodengefässe und Samenleiter) verläuft vom Hoden durch den Leistenkanal in den Bauchraum zurück. Aus diesem Grund ist er beim Mann nie vollständig verschlossen und stellt eine Schwachstelle der vorderen Bauchwand dar. Durch verschiedene Umstände (z. B. chronischer Husten, Verstopfung (Pressen), Sport etc.) kann sich der Leistenkanal erweitern und zu einem Leistenbruch führen. Es existieren verschiedene Bruchformen (direkte und indirekte Leistenbrüche, Schenkelbrüche, obturatorische Brüche etc.) auf die wir hier nicht weiter eingehen, da dies in dieser kurzen Publikation zu aufwändig und kompliziert wäre.

Symptome

Hauptsymptom ist eine mehr oder weniger grosse Schwellung im Bereich der Leistengegend, die beim Pressen (Husten, Niesen, Heben von schweren Lasten etc.) an Grösse zunimmt und im Liegen meistens spontan wieder verschwindet. Zusätzlich kann ein Druckschmerz bestehen, oder es können ziehende und brennende Sensationen, gelegentlich auch eine Schmerzausstrahlung in den Hodenbereich oder in den Oberschenkel vorliegen. Viele Patienten erkennen einen Leistenbruch nur durch Zufall. Meistens ertasten sie beim Duschen eine Vorwölbung in der Leistengegend und gehen für weitere Abklärungen zu ihrem Arzt. Ob jemand starke, wenig oder gar keine Beschwerden verspürt, hat in der Regel nicht viel mit der Grösse des Leistenbruchs zu tun. Es sind oftmals sogar die kleinen Leistenbrüche, die Beschwerden verursachen, da diese eher zu Einklemmungserscheinungen führen. In ca. 15 bis 20 Prozent der Fälle treten Leistenbrüche beidseits auf. Wenn ein Leistenbruch starke Schmerzen verursacht und von Hand nicht mehr in den Bauchraum zurückgedrängt werden kann, besteht eine Notfallsituation. Meistens ist dann ein sofortiges chirurgisches Vorgehen erforderlich.

Diagnostik

In den allermeisten Fällen kann bereits nach einer guten Anamnese-Erhebung die Verdachtsdiagnose eines Leistenbruchs gestellt werden. Die darauffolgende körperliche Untersuchung bestätigt in der Regel den Befund. In seltenen Fällen gelingt es nicht mit Sicherheit, die Diagnose eines Leistenbruchs anlässlich einer einfachen Untersuchung zu stellen (z. B. bei stark übergewichtigen Patienten). In solchen Situationen ist meist eine Ultraschalluntersuchung der Leistengegend sinnvoll. Eine solche bedingt sehr grosse Erfahrung und sollte nur von Ärzten durchgeführt werden, die diese Untersuchung oft vornehmen. Alternativ kann auch eine MR-Untersuchung der Bauchdecke zur weiteren Leistenbruch-Diagnostik erfolgen. Diese Untersuchung ist allerdings sehr teuer und kaum je notwendig.LeistenbruchAbb. 1: Leistenbruch mit Austritt von Darmanteilen entlang des Leistenkanals.

Therapie

Leistenbrüche können auch heutzutage nur chirurgisch definitiv behoben werden. Patienten, die sich nicht operieren lassen wollen oder die aus gesundheitlichen Gründen nicht operiert werden können, sollten mit einem Bruchband versorgt werden. Damit wird die muskuläre Schwachstelle im Bereich der Leiste von aussen komprimiert. Dies verhindert das Austreten des Bruches. Ein solches Vorgehen ist allerdings nur in absoluten Ausnahmefällen gerechtfertigt. Das Ziel der Operation besteht darin, den Bruchsack inkl. des Bruchinhalts an die anatomisch korrekte Stelle zu reponieren und die Bruchlücke sicher und spannungsfrei zu verschliessen. Es existieren viele chirurgische Verfahren, einen Leistenbruch zu verschliessen.

Beim Erwachsenen wenden wir seit nunmehr 27 Jahren eine endoskopische Methode an, die bei den allermeisten Patienten machbar und extrem sicher ist. Es handelt sich um die sog. TEPP-Methode (Transkutane extraperitoneale Netzplastik). Es ist die von uns klar favorisierte Technik zur Versorgung praktisch aller Leistenbrüche (ausser im Kindesalter). Über einen 12 mm kleinen Schnitt im Nabel wird eine Optik zwischen Bauchmuskulatur und Bauchfell eingeführt. Unter videoendoskopischer Kontrolle wird links und rechts davon je ein weiterer 5 mm kleiner Hautschnitt gemacht. Durch diese werden die Arbeitsinstrumente eingeführt. Diese Zugänge reichen aus, um einen Leistenbruch (auch beidseitig) mittels eines Netzes (bei doppelseitigen Brüche zwei Netze) chirurgisch zu beheben. Die muskulären Lücken und Schwachstellen werden nicht vernäht, sondern spannungsfrei mit Netzen verschlossen. Diese werden in den Raum zwischen Bauchfell und Bauchmuskulatur eingelegt und dort mit Clips oder Leim befestigt. Diese Operationsmethode hat viele Vorteile gegenüber den anderen Verfahren: Man benötigt nur kleinste Schnitte, die man später praktisch nicht mehr sieht (kosmetisch hervorragend), der Bauchraum wird nicht eröffnet, und die Bruchlücken können ohne jegliche Spannung verschlossen werden. Die meisten Patienten haben nach diesem Eingriff nur geringe Schmerzen, und die Rate an wieder aufgetretenen Brüchen (Rezidive) liegt bei diesem Verfahren unter einem Promille. Die Dauer des Eingriffes variiert bei einseitigen Brüchen zwischen 20 und 50 Minuten, bei doppelseitigen zwischen 30 und 90 Minuten. Chirurgen, welche die TEPP-Methode anbieten, sollten mindestens 300 bis 400 Operationen durchgeführt haben, um diesen technisch anspruchsvollen Eingriff sicher zu beherrschen. Der Spitalaufenthalt nach einer TEPP-Operation beträgt in der Regel ein bis zwei Tage. Die volle Belastbarkeit ist nach dem Eingriff sofort gegeben, allerdings selbstverständlich in Abhängigkeit der Beschwerden.

Weitere Informationen finden Sie im Fachgebiet Minimalinvasive Viszeralchirurie.

Dr. med. Mischa C. Feigel

Facharzt FMH für Chirurgie, Spezialgebiet: Viszeralchirurgie

Zentrum für Viszeralchirurgie und Bariatrie
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