Schulterschmerzen gezielt bekämpfen

19.02.2018

Wer über Beschwerden in der Schulter klagt, sollte frühzeitig einen Spezialisten aufsuchen. Warum dies so wichtig ist und welche Therapiemöglichkeiten es gibt, schildert Dr. Kourosh Modaressi in der aktuellen SonntagsZeitung.
 

Dr. Modaressi, die Schulter gilt als das Gelenk mit dem grössten Bewegungsumfang – denken wir etwa an die Aufschlagbewegung beim Tennis. Worin liegen die häufigsten Ursachen für Schulterschmerzen und wie äussern sich diese?

Die mit Abstand häufigste Ursache für chronische Schulterschmerzen sind Probleme mit der sogenannten Rotatorenmanschette, einer Muskelgruppe, die für die Positionierung des Arms im Raum verantwortlich ist. Typisch für diese Beschwerden sind ziehende oder stechende Schmerzen im Schulterbereich, die bis in den Nacken ausstrahlen können. Bei einem Riss der Rotatorenmanschette schmerzt der vordere und seitliche Teil der Schulter. Diese Beschwerden können sich beim Heben des Arms nach oben und beim Liegen auf der betroffenen Schulter noch verstärken, was ein Anheben des Arms nach vorne oder zur Seite dann kaum mehr möglich macht.

Wodurch kann die Rotatorenmanschette reissen?

In der Regel entsteht der Riss durch einen Sturz auf den gestreckten Arm oder einen Abstützversuch. Ebenso kann die Verletzung durch ruckartiges Anheben eines schweren Gegenstands ausgelöst werden. Während fünf Prozent der Sehnenrisse im Schultergelenk als Folge eines Traumas auftreten, sind etwa 95 Prozent der Rotatorenmanschettenrisse auf Verschleiss zurückzuführen. Darüber hinaus können verschiedene Präparate zur Krebsbehandlung oder eine langjährige Einnahme von Cortison die Rotatorenmanschette schädigen.

Wann sollte man bei Schulterschmerzen einen Arzt aufsuchen?

Anders als bei Rückenschmerzen, die zumeist nach einer gewissen Zeit von alleine wieder verschwinden, sollte man bei Schulterschmerzen nicht allzu lange warten. Denn die Patienten nehmen dann sukzessive eine Schonhaltung ein, was zu einer Schultersteife führen kann. Zwar lässt sich dies wieder rückgängig machen, jedoch ist dann sehr viel Geduld gefragt. Besser ist es, sich frühzeitig bei einem Spezialisten vorzustellen. Zudem führen chronische Risse der Rotatorenmanschette zu einer Instabilität des Schultergelenks und begünstigen langfristig das Entstehen und Fortschreiten einer Arthrose.

Welche Symptome sind typisch für eine Arthrose?

Im Gegensatz zu Beschwerden bei einem Rotatorenmanschettenriss treten die Schmerzen bei einer Schultergelenksarthrose während und nach einer Belastung auf. Ebenso charakteristisch sind Schmerzen nach einer Ruhephase. Im Laufe der Zeit, respektive bei fortgeschrittener Arthrose bilden sich an der Gelenkspfanne und dem Oberarmkopf knöcherne Anbauten, sogenannte Osteophyten, was häufig zu einer Bewegungseinschränkung führt. Wird gegen diese Bewegungseinschränkung angekämpft, kommt es zu einer zusätzlichen Reizung des Gelenks.

Wie wird eine Schulterarthrose diagnostiziert?

Neben der klinischen Untersuchung werden Röntgenbilder angefertigt. Anhand dieser lassen sich bei einer Degeneration bereits Abnutzungserscheinungen der Gelenkoberflächen abbilden.

Welche Therapiemöglichkeiten stehen dann zur Verfügung?

Mithilfe einer Kombination aus Schmerztherapie und Krankengymnastik ist es möglich, den Schulterverschleiss zu verlangsamen oder die Beschwerden sogar zu stoppen. Darüber hinaus kann bei akuten Schmerzen eine Injektion mit lokalem Betäubungsmittel und Cortison direkt in das Schulterhauptgelenk oder in den oberen Gleitraum Linderung bringen.

Welche Vorteile hat die Behandlung mit Cortison?

Leider geniesst das Cortison keinen sehr guten Ruf, allerdings in diesem Fall unbegründet. Zwar ist die tägliche Einnahme von Cortison-Tabletten mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen behaftet, jedoch gilt dies nicht für das Spritzen in ein Gelenk oder anderes Gewebe. Hier sind die Nebenwirkungen zu vernachlässigen. Das Cortison hat die Eigenschaft, eine Entzündung zu unterdrücken. Und jede Entzündung ist mit einer Schwellung verbunden, die das Gewebe reizt und dadurch Schmerzen auslöst. Wenn man also einmal Cortison gibt, vor allem solches, das über einen längeren Zeitraum wirkt, kann das Gewebe abschwellen und zur Ruhe kommen, meist mit langanhaltender Wirkung.

Gibt es noch alternative Behandlungsmethoden, bevor operiert werden muss?

Neuerdings haben wir die Möglichkeit, mit Eigenblut die betroffenen Stellen zu behandeln. Diese Therapie kommt als Alternative zu Cortison immer mehr zur Anwendung.

Welche positiven Effekte kann die Therapie mit Eigenblut bewirken? Welche Idee steckt hinter dieser Behandlungsmethode?

Die PRP-Therapie unterstützt die Selbstheilungsprozesse im Körper. Dadurch, dass Wachstumsfaktoren aus dem Blut konzentriert und aktiviert werden, ist es möglich, die Heilungs- und Aufbauprozesse anzuregen. Wie zahlreiche international durchgeführte wissenschaftliche Untersuchungen belegen, verbessern sich nicht nur signifikant Schmerzverlauf und Beweglichkeit bei Arthrose. Zudem werden Bänder gestrafft, Sehnen- und Muskelverletzungen rascher geheilt und Knorpel wieder fester und belastbar. Bei dieser Therapie kommen keinerlei Zusatzstoffe oder gar Medikamente zum Einsatz.

Wie kann man sich die Therapie vorstellen?

Die Behandlung dauert weniger als eine halbe Stunde. Abhängig von Ort und Art der Verletzung, respektive Erkrankung ist es erforderlich, den Vorgang bis zu fünf Mal in Abständen von sieben bis zehn Tagen zu wiederholen.

Und wenn das alles nichts hilft, bleibt nur der Einsatz einer Prothese?

Richtig, da gibt es im Wesentlichen zwei Prothesentypen: Einerseits die anatomische Variante, mithilfe derer die ursprüngliche Anatomie beibehalten wird. Bei dieser Prothesenart müssen jedoch die Sehnen der Rotatorenmanschette intakt und das Gelenk stabil geführt sein. Dieses Modell kommt daher bei vielen Frakturen eher weniger infrage. Und für Situationen, bei denen die Sehnen defekt, aber nicht irreparabel sind, gibt es die Möglichkeit des umgekehrten Gelenkersatzes – auch inverses Schultergelenk genannt. Dabei wird die Kugel an die Gelenkpfanne montiert und eine Pfanne auf den Oberarmknochen gesetzt.

Aufgrund welcher biomechanischen Vorgänge wird die Schulterbeweglichkeit mit dem umgekehrten Gelenk wieder normalisiert?

Wenn der grosse starke Deltamuskel bei Aktivierung nach oben zieht, drückt er die Gelenkpfanne in die Gelenkkugel und stabilisiert so das Gelenk. Auf diese Weise kann der Patient den Arm wieder über den Kopf heben – ein Modell, das sich nicht nur bei grossen Sehnenrissen und Instabilitäten, sondern ebenso bei komplizierten Brüchen sehr gut eignet.

Müssen die Prothesen irgendwann erneuert werden?

Mit den heutigen Möglichkeiten und Materialien halten diese Prothesen zwischen 13 und 15 Jahren. Das bedeutet aber nicht, dass nach 15 Jahren jeder Patient mit einer Prothese erneut operiert werden muss. Bei lediglich rund zehn Prozent der Patienten ist dann abermals ein Eingriff  notwendig. Hierbei muss in den meisten Fällen nur mit einer kleineren Operation ein Teil der Prothese, wie Plastikgleitschicht, Pfanne oder Schaft und Kopf erneuert werden. Manchmal muss aber auch die gesamte Prothese ausgetauscht werden. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die Medizintechnik auch auf diesem Gebiet schnell voranschreitet und ständig Erneuerungen seitens OP-Techniken, Materialien und Prothesentypen entwickelt werden, um den Patienten stets die beste und nachhaltigste Behandlung bieten zu können.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter Schulterchirurgie.

Dr. med. univ. Kourosh Modaressi
FMH für Orthopädie und Traumatologie
Orthopädische Chirurgie Zürich

Institut für Gelenk- und Sportchirurgie
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