Schilddrüsenknoten können minimalinvasiv behandelt werden

29.06.2021

Schilddrüsenchirurgie

Krankhafte Schilddrüsenvergrösserungen werden auch «Kröpfe» genannt. Früher waren aufgrund des Jodmangels in der Schweiz grosse Kröpfe weit verbreitet. Dank der Einführung von jodiertem Salz in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts ist der grosse Jodmangelkropf in der Schweiz rückläufig – aber nicht verschwunden. Schilddrüsenerkrankungen oder krankhafte Schilddrüsenvergrösserungen sind immer noch häufig. Die Ursachen sind vorwiegend eher kleinere benigne Schilddrüsenknoten, knotige Veränderungen, die eine Überfunktion verursachen, oder bösartige Schilddrüsenerkrankungen.


Wird ein Schilddrüsenknoten bemerkt, erfolgt als erster Schritt die Abklärung mit einem Ultraschall. Mithilfe der Sonografie können Schilddrüsenveränderungen mit grosser Sicherheit diagnostiziert werden. Bestimmte sonografische Merkmale zeigen, ob es sich eher um einen bösartigen oder einen gutartigen Prozess handelt. Wenn der Knoten sonografisch verdächtig erscheint oder klinische Kriterien für ein malignes Geschehen vorliegen, erfolgt die Punktion mit anschliessender Untersuchung der Zellen unter dem Mikroskop. Diese Beurteilung erfolgt durch einen erfahrenen Zytologen. Er kann meistens aufgrund bestimmter Zellmerkmale die viel häufigeren gutartigen Knoten vom Schilddrüsenkrebs unterscheiden. In seltenen Fällen gibt es bösartige Knoten der Schilddrüse, bei denen trotz Ultraschall und Feinnadelpunktion die Diagnose präoperativ nicht sichergestellt werden kann. Diese müssen schlussendlich chirurgisch mit einer Operation entfernt werden. Das Gewebe, meistens in Form einer Schilddrüsenhälfte, wird dann fixiert und unter dem Mikroskop durch den Pathologen definitiv beurteilt.

Zunahme von Karzinomen

Die Anzahl diagnostizierter Schilddrüsenkarzinome nimmt auch in der Schweiz zu. Die Inzidenzsteigerung widerspiegelt wahrscheinlich die heute häufig früher erkannten, zufällig entdeckten kleineren Karzinome. Der grosszügige Einsatz von bildgebenden Verfahren aus anderen medizinischen Gründen (Ultraschall, CT und PET CT) führt zu diesen Zufallsbefunden. Als direkte Folge gelangen heute auch kleinere Schilddrüsenknoten zur chirurgischen Abklärung. Aufgrund der Entwicklung, dass nun immer weniger ausgedehnte Kröpfe operiert werden, suchte man nach minimalinvasiven chirurgischen Techniken, die einen grossen, horizontalen Zugang am Hals vermeiden. Die minimalinvasive Schilddrüsenentfernung (MIVAT), wie sie in der Klinik Pyramide angewendet wird, entspricht einer endoskopisch assistierten Technik.

Knopflochchirurgie am Hals

Die Entwicklung der Knopflochchirurgie macht also auch vor der Chirurgie des Halses nicht halt. Im asiatischen Raum wurden rein endoskopische Methoden entwickelt, um eine Narbe am Hals zu vermeiden. Die Verletzung des Halses bei jungen Frauen wird dort aus soziokulturellen Gründen nicht akzeptiert, sodass insbesondere in Japan komplizierte endoskopische Verfahren mit CO2-Insufflation entwickelt wurden, um dann die Schilddrüse über einen Schnitt in der Achselhöhle zu entfernen. Diese Methoden, die durch einen Operationsroboter unterstützt werden müssen, sind aber technisch äusserst aufwendig. Zudem dauern die Operationen im Vergleich zur minimalinvasiven Technik doppelt so lange.

Minimalinvasive Schilddrüsenentfernung

Die minimalinvasive videoassistierte Thyreoidektomie (MIVAT) wurde von Prof. Paolo Miccoli an der Universitätsklinik Pisa entwickelt. Während eines einjährigen Fellowship in Italien hatte Dr. med. Georg Wille die Möglichkeit, in dessen Klinik für endokrine Chirurgie (Chirurgie der hormonproduzierenden Drüsen: Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Nebenniere) die minimalinvasive videoassistierte Thyreoidektomie zu erlernen. Es ist mittlerweile das am weitesten verbreitete Verfahren in der minimalinvasiven Schilddrüsenchirurgie und konnte sich bei kleinen Schilddrüsen (Schilddrüsenvolumen < 25 ml) und kleinen zu entfernenden Knoten (Durchmesser < 3 cm) durchsetzen.

Halb so grosser Schnitt

Die MIVAT kombiniert die einfache Präparation der klassischen Operationsmethode mit derjenigen der endoskopischen Chirurgie. Bei der MIVAT wird, wie bei der offenen Operation, ein Schnitt im Bereich des Halses gewählt, der jedoch halb so lange wie der herkömmliche Schnitt ist. Das Eingehen in die Schilddrüsenloge erfolgt zwischen der geraden Halsmuskulatur wie bei der offenen Methode, aber in viel kleineren Dimensionen. Der Raum um die Schilddrüse wird freipräpariert, und das Operationsgebiet wird mit Wundhaken offen gehalten. Die anatomischen Strukturen werden nun mit einer 5 mm durchmessenden, um 30 Grad gewinkelten Kamera festgehalten, und sämtliche operativen Schritte erfolgen unter Sicht des Endoskops. Der Operateur schaut bei der Präparation auf den Bildschirm, der das Operationsfeld vergrössert und maximal ausleuchtet.

Schonung von Nerven

Die Vergrösserung hat automatisch einen feineren Umgang mit dem Schilddrüsengewebe und den umliegenden Strukturen zur Folge. Die zwei Grundprinzipien der offenen Schilddrüsenchirurgie, die Darstellung des Nervs und die Identifikation der Nebenschilddrüsen, werden auch bei der endoskopischen Methode streng befolgt. Die Vergrösserung am Bildschirm erlaubt mit hoher Sicherheit die Identifikation des Nervs, der die Stimmbänder kontrolliert und unbedingt geschont werden muss (Nervus Laryngeus Recurrens). Die Nebenschilddrüsen sind hormonproduzierende Drüsen, die den Kalziumhaushalt regulieren. Sie liegen der Schilddrüse an der Rückseite unmittelbar an und können durch die endoskopisch assistierte Technik behutsam von der Schilddrüse wegpräpariert werden. Gewisse Studien zeigen, dass mit der MIVAT die Durchblutung und damit die Funktion der Nebenschilddrüsen besser geschont werden können und somit die postoperative Hypokalzämie (erniedrigtes Kalzium im Blut) verringert werden kann.

Doppelseitige Schilddrüsenentfernung

Zuerst wird der Oberpol der Schilddrüse mit einem Ultraschallskalpell durchtrennt. Am oberen Pol der Schilddrüse münden auch die kräftigsten Arterien. Das Ultraschallskalpell erlaubt bei diesem Schritt ein sicheres Durchtrennen dieser Gefässe, ohne dass sie bluten, indem die Energie des Ultraschalls die Gefässe zuerst verödet und in einem zweiten Schritt durchtrennt. In einem nächsten Schritt wird die Schilddrüse von der Seite her mobilisiert, dies erfolgt mit eigens für diesen Zweck entwickelten Spezialinstrumenten. Nun ist die eine Schilddrüsenhälfte so weit präpariert, dass sie durch die Wunde gezogen werden kann, und die letzten Schritte erfolgen in herkömmlicher Technik. Im Falle einer totalen Schilddrüsenentfernung wechselt man dann auf die Gegenseite und präpariert in der gleichen Weise, wie bisher beschrieben wurde. Das kosmetische Ergebnis ist in der Regel sehr gut, die postoperativen Schmerzen und die Übelkeit sind häufig etwas geringer als bei einem herkömmlichen Eingriff.

Exzellente medizinische und kosmetische Ergebnisse

Zusammenfassend erfolgen dieselben Operationsschritte wie bei der offenen Operation, jedoch unter Sicht eines Endoskops. Dies ermöglicht den deutlich kleineren Hautschnitt, dabei aber eine sichere Präparation der anatomischen Strukturen. Diese minimalinvasive Technik ist mit exzellenten kosmetischen Ergebnissen verbunden, da sie trotz Verkleinerung des Zugangsweges nicht mit einem höheren Komplikationsrisiko für den Patienten verbunden ist. Der MIVAT werden eine Verringerung der postoperativen Schmerzen und ein verkürzter Spitalaufenthalt attestiert, was dem Patienten zugutekommt. Nach dieser Operation sind die Patienten immer wieder überrascht, wie klein der Schnitt ist, wie schnell sie sich erholen und wie wenig Schmerzen sie erleiden müssen.

ÜBERSICHT SCHILDDRÜSENEINGRIFFE

  • Schilddrüsenchirurgie bei gutartigen Veränderungen
  • Onkologische Schilddrüsen- und Lymphknotenchirurgie bei Krebserkrankungen
  • Minimalinvasive videoassistierte Thyreoidektomie/ Schilddrüsenentfernung (MIVAT)
  • Minimalinvasive videoassistierte Parathyreoidektomie/ Nebenschilddrüsen (MIVAP)
  • Rezidivoperationen an der Schilddrüse /den Nebenschilddrüsen
  • Chirurgische Therapie des primären und sekundären Hyperparathyreoidismus (Überfunktion der Nebenschilddrüsen)
  • Konventionelle und laparoskopische Chirurgie bei bösartigen und gutartigen Nebennierenpathologien (transabdominell laparoskopische Adrenalektomie/ Entfernung der Nebenniere)
  • Standardisiertes Neuromonitoring bei der Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenoperation und intraoperative Erfolgskontrolle durch Quick-PTH-Bestimmung bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen

DAS NEUROMONITORING

Als Neuromonitoring wird die Überwachung der Nervenfunktion als Elektromyogramm während der Operation bezeichnet.
Neuromonitoring Schilddrüsenchirurgie
Bei allen Operationsmethoden wird Neuromonitoring eingesetzt, um das Risiko einer Verletzung des Kehlkopfnervs (Stimmbandfunktion) zu verringern. Das Problem einer vorübergehenden Heiserkeit nach der Operation kann dadurch auf ein Minimum beschränkt werden.

Weitere Informationen finden Sie unter Schilddrüsenchirurgie.
 

Dr. med. Georg Wille
FMH für Chirurgie, Fellow of the European Board of Surgery (FEBS) – Endocrine Surgery

Haus zur Pyramide
Klausstrasse 10
CH-8008 Zürich
Tel +41 43 336 73 73
wille@hin.ch
www.schilddruesen-chirurgie.ch