Wie wird man Nasenpolypen los?

15.05.2019

Hals-, Nasen-, Ohrenchirurgie

Die Nase läuft – mal wässrig, mal rinnt Schleim nach hinten und nervt. Ich bekomme kaum Luft und muss immer durch den Mund atmen. Nachts wache ich auf, der Mund ist trocken. Ich stehe auf und trinke Wasser, das hilft einen Moment. Kaum eingeschlafen, stösst mich meine bessere Hälfte: «Du schnarchst!» Morgens wache ich gerädert auf. Meine Arbeitskollegen fragen, ob ich erkältet sei, meine Stimme töne nasal. Unter Freunden trinken wir ein Glas Wein, und alle loben die schönen Noten. Für mich schmeckt es nur süss, sauer oder bitter… Eine verstopfte Nase ist lästig – und Polypen machen es noch schlimmer.
 

Medizinisch betrachtet sind Polypen eine Fehlreaktion aus uralten Zeiten. Sie können aus vielen Gründen entstehen, der häufigste Auslöser ist eine fehlgeleitete Immunreaktion, die aus unserem ältesten genetischen Archiv stammt: Das Immun­system setzt Killerzellen frei, die als Reaktion auf Schleimhautreize über die Blutbahn durch die Schleimhaut der Siebbeinzellen an die Nasenoberfläche treten, dort explodieren, Gifte freisetzen und damit die eigene Schleimhaut schädigen. Diese reagiert mit einer Schwellung und bildet gallertartige Wasserblasen, die die Nase verstopfen. Rund 5 Prozent der europäischen Bevölkerung haben diese Veranlagung und entwickeln in der Folge Polypen.

Die Siebbeinzellen – das älteste Immunsystem der Wirbeltiere

Die menschliche Nase besteht aus zwei Kanälen um die Nasenscheidewand, die die äussere Nase trägt. Zu beiden Seiten befinden sich drei Muscheln. Zuoberst ist das älteste Organ, die Riechmuschel, an deren Mitte sich Riechzellen befinden. Eine Etage weiter unten befindet sich das Siebbeinsystem, das das Tor zu den grossen Nebenhöhlen bildet und ursprünglich das Riechorgan schützen sollte. Wenn es nun in Aufruhr versetzt wird, schwillt es an, produziert übermässig Schleim, verstopft die grossen Neben­höhlen und kann Druck sowie eine blockierte Nasenatmung verursachen. Aber ebenso kann es Zellen freisetzen, welche die Situation noch verschlimmern.

«Polypen sind eine Sonderreaktion, unabhängig von Infekten.»

Zuunterst entwickelte sich erst viel später in der Evolution der Nasenkanal, der für die heutige Atmung an Land zuständig ist. Hier befinden sich die unteren Nasenmuscheln, die unsere Atemluft befeuchten und erwärmen, bei Entzündungen der Siebbeinzellen aber übermässig anschwellen können. Das Ergebnis ist eine verstopfte Nase. Wenn dieser Zustand lange genug andauert, können darin Bakterien gedeihen und Infektionen verursacht werden. Polypen sind eine Sonderreaktion, die unabhängig von Infekten die Nase verstopfen und im fort­geschrittenen Stadium auch zu Lungenreizungen und Asthma führen. Die Folge sind eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit, eine stark reduzierte Lebensqualität und ein verminderter bis fehlender Geruchssinn. Als Langzeitfolgen können chronische Infekte und eine Verminde­rung der Lungenfunktion entstehen.

Diagnostik und konservative Behandlung

Polypen erfordern eine Zusammenarbeit von Nasen- und Lungenspezialisten. Meist kommen Patienten mit einer verstopften Nase zum Hals-Nasen-Ohrenarzt (ORL), wenn der Husten und schweres Atmen im Vordergrund stehen auch zum Lungenspezialisten. Die Behandlung erfordert ein Teamwork, um Lebensqualität und Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Die Aufgabe des Rhinologen (Nasenspezialisten) ist die Diagnostik mit Endoskopie der Nase (Untersuchung der drei Nasenteile), Prüfen der Atmung und des Geruchsinns und je nach Befund Bildgebung mittels CT der Nebenhöhlen, um die Ausdehnung der Erkrankung im Nebenhöhlensystem zu erkennen. In seltenen Fällen können die Polypen verändert sein und das umliegende Gewebe angreifen, oder aber hinter den Polypen versteckt sich eine bösartige Veränderung, welche die Grenzen der Nase angreift. Da unmittelbar an die Nase das Gehirn, die Augen und grosse Gefässe grenzen, ist das frühe Erkennen einer solchen Entwicklung wichtig. Polypen selbst verursachen in der Regel keine Schmerzen. Schmerzen oder blutiges Sekret treten bei Infekten oder eben bösartigen Formen von Polypen auf. Eine Blutentnahme kann helfen, Systemerkrankungen oder Begleiterkrankungen wie Störungen des Immunsystems (Allergien, Autoimmunerkrankungen, Immunschwächen) zu entdecken. Hier ist die Zusammenarbeit mit Immunologen oder Rheumatologen wertvoll.

Als Erstes erfolgt die Behandlung mit in der Nase angewendeten Medikamenten (topischen Steroiden) und Spülungen mit meersalzartigen Wasserlösungen. Diese helfen auf natürliche Weise, die Schleimhaut in ihrer Selbstreinigung zu unterstützen. Steroide verhindern, dass eosinophile Granulozyte, die eine Entzündung und schlussendlich die Polypenbildung auslösen, ins Gewebe eintreten. Die Krankheit wird so eingedämmt. Wenn damit Beschwerdefreiheit erreicht wird, können lokal angewendete Steroidsprays oder -tropfen als Dauerbehandlung eingesetzt werden. Moderne Steroidsprays haben keine schädliche Langzeitwirkung und sind mit dem Fluor in der Zahnpasta vergleichbar.

Nebenhöhlenchirurgie: Operation am Siebbein

Häufig genügt die reine Behandlung durch Medikamente und Sprays nicht, und es sind chirurgische Schritte erforderlich. Bis etwa zur Jahrtausendwende war die Operation der Nebenhöhlen technisch nicht befriedigend. Mit modernen Techniken können aber Erfolgsraten von über 90 Prozent erzielt werden. Dank intravenöser Anästhesie mit der Kontrolle des Blutdrucks während der Operation, moderner hochauflösender Optiken und Kamerasysteme sowie verfeinerter Instrumente können die Nebenhöhlen mit geübter Hand so geöffnet werden, dass die Risiken einer Operation in den Promillebereich zurückgedrängt werden konnten. Dennoch erfordert jede Operation volle Konzentration und das Prüfen jedes einzelnen Schrittes während der millimeterweisen Abtragung des Siebbeinzellsystems, das der Auslöser der Erkrankung ist. Polypen müssen an der Wurzel gepackt werden, deshalb muss der ganze Raum der Siebbeinzellen sauber geöffnet werden, damit die erkrankte Schleimhaut nach Abheilung zur Ruhe kommen und richtig gepflegt werden kann. Technisch besteht die Tendenz, die mittlere Muschel als Teil des Ethmoidalsystems bei einer Polypenerkrankung mit zu entfernen. Ein Schritt, der zu deutlich besseren Ergebnissen mit besserer Belüftung der Riechrinne und besserer Selbstreinigung führt. Da es sich bei einer Polyposisnasi um eine Systemkrankheit handelt, muss auch bei Beschwerdefreiheit die Nase weiter gepflegt werden. Der klassische Eingriff bei Polypen wird im Fachjargon Frontosphenoethmoidektomie genannt.

Zusätzliche Eröffnung der Stirnhöhlen

In wenigen oder fortgeschrittenen Fällen mit zusätzlich starker Reaktion auf Umgebungsreize muss ein erweiternder Eingriff mit Öffnung der Stirnhöhlen durchgeführt werden. Die Stirnhöhlen sind im Gegensatz zu den übrigen grossen Nebenhöhlen an ihrer Basis ebenfalls mit immunaktiver Schleimhaut bedeckt und ein Nadelöhr. Während die übrigen Nebenhöhlen sich nach einem Eingriff gut reinigen lassen, kann der Übergang so eng sein, dass Pflege und Medikamente nicht bis in diesen Bereich eindringen können. Polypen bilden sich im Engpass weiter, verstopfen die Stirnhöhlen und reizen weiterhin die Lunge. Deshalb wurde eine Technik entwickelt, um die Trennwand der Stirnhöhlen über der Nasenscheidewand abzutragen. Damit wird eine genügend grosse Öffnung erzeugt und die Belüftung wird so gut, dass Medikamente bis in den hintersten Winkel vordringen können. Auf diese Weise kann die Krankheit ebenfalls kontrolliert werden.

Heilungsphase

In der Regel müssen sich Patienten während der ersten vier Tage schonen. Häufig verwenden wir Nasentampons über die erste bis zweite Nacht. Teils genügen wundpflegende Gels, die am Ende der Operation ins Operationsgebiet gespritzt werden. Sie haften, schützen die Wunde und lösen sich langsam auf. So kann auf Spülen oder unangenehme Verbände verzichtet werden. In der ersten Woche nach dem Eingriff ist die Nase halbwegs verstopft, und es kann wenig Sekret mit Blutresten in den Rachen laufen. In dieser Phase kann Büroarbeit verrichtet werden, jedoch ohne körperliche Belastung. Bis drei Wochen nach dem Eingriff sollte auf Sport und Anstrengungen sowie Rauchen verzichtet werden, um Blutungen und Infekte nicht zu begünstigen. In dieser Zeit erfolgen zwei bis drei Kontrollen beim Operateur. Spätere Kontrollen hängen vom individuellen Krankheitsbild und Heilungsverlauf ab. In den ersten Wochen ist die Infektanfälligkeit erhöht, es können sich noch Krusten bilden, und der Geruchsinn muss sich noch erholen. Anschliessend leben die Patienten wieder mit einer freien Nase.

Weitere Informationen finden Sie unter Hals- Nasen- und Ohrenchirurgie.
 

Dr. med. Christian A. Maranta
FMH für ORL, spez. Hals- und Gesichtschirurgie mit Schwerpunkt Rhinologie/Nasen-nebenhöhlen und Rhinochirurgie
ORL-Praxen Küsnacht
Seestrasse 29
CH-8700 Küsnacht
Tel. +41 44 912 32 00
maranta@orlpraxen.com
www.orlpraxen.com
 

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