Mikrochirurgische Therapie des Lymphödems

01.02.2024

Das chronische Lymphödem nach Behandlung des Mammakarzinoms ist eine häufige Komplikation, die mittels konservativer Methoden sowie durch operative Methoden wie Liposuktion oder mikrochirurgische Therapien behandelt werden kann. Im Folgenden ein Überblick über die mikrochirurgischen Therapieoptionen
wie Lymphovenöse Anastomosen (LVA) oder vaskularisierte Lymphknotentransfers (VLNT).

Das Lymphödem ist eine chronisch fortschreitende und potenziell invalidisierende Erkrankung. Es handelt sich dabei um eine Ansammlung von proteinreicher interstitieller Flüssigkeit im Gewebe, die aufgrund einer Insuffizienz des Lymphabflusssystems zustande kommt. Für diese Störung des Lymphabflusses gibt es verschiedene Gründe. Diese kann entweder primär, also angeboren sein, oder sekundär entstehen, zum Beispiel nach Krebsbehandlungen. Da das Mammakarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist, handelt es sich bei dem Brustkrebs-assoziierten Lymphödem um eine häufige Komplikation, die insbesondere nach einer Lymphknotendissektion der Axilla oder einer Bestrahlung zustande kommen kann. Bei einem Drittel der Patientinnen nach operativer Therapie des Mammakarzinoms kommt es innerhalb von 2 Jahren zu einem Brustkrebs-assoziierten Lymphödem (1). Diese Inzidenz kann sogar auf bis zu 50% der Patientinnen steigen, wenn eine Lymphknotendissektion der Axilla durchgeführt wurde (2). Das Lymphödem kann zu Schwellungen, Rötungen sowie zu einem Gefühl von Schwere der Extremität führen, welches sehr belastend für die Patientinnen ist. Zudem kann ein lang bestehendes Lymphödem eine irreversible Fibrosierung des Gewebes mit sich bringen, welche eine Bewegungseinschränkung nach sich ziehen kann (3). Daher ist es entscheidend, frühzeitig eine Therapie des Lymphödems zu initiieren. In frühen oder gering ausgeprägten Stadien kann vorerst eine konservative Therapie mit Kompressionsbandagen und manueller Lymphdrainage begonnen werden. Allerdings behandelt die konservative Therapie nicht die kausalen Ursachen für ein Lymphödem, sodass die Idee einer operativen Therapie ist, den Lymphabfluss funktionell wieder herzustellen.

Lymphovenöse Anastomose

Bei der lymphovenösen Anastomose (LVA) handelt es sich um eine Verbindung von kompromittierten Lymphbahnen mit einer Vene, wodurch der Lymphabfluss verbessert wird. Um die Areale des eingeschränkten Lymphabflusses ausmachen zu können, werden präoperativ mittels Indocyaningrün (ICG) die Lymphbahnen sichtbar gemacht. Die Areale des Lymphstaus werden markiert und ebendort erfolgt die Hautinzision für die entsprechende LVA.

Bei der LVA werden häufig direkt mehrere Anastomosen von Lymphgefässen auf Venen durchgeführt. Diese können End-zu-End oder End-zu-Seit anastomisiert werden. Eine intraoperative Kontrolle des verbesserten Lymphabflusses erfolgt ebenfalls mittels ICG (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Intraoperatives Foto einer LVA mit End-zu-End Anastomose, und direkte Kontrolle des Lympfabflusses mittels ICG.

Vaskularisierter Lymphknotentransfer

Bei fortgeschrittenen Fällen bzw. bei lang bestehenden Lymphödemen, bei denen bereits eine Fibrosierung des Gewebes stattgefunden hat, ist eine LVA alleine nicht mehr ausreichend. Hier bedarf es zusätzlich eines Transfers von Gewebe, welches Lymphknoten beinhaltet und mikrochirurgisch vaskulär angeschlossen wird. Für diesen vaskularisierten Lymphknotentransfer (VLNT) können verschiedene Areale des Körpers wie axilläre, inguinale, supraclaviculäre, submentale oder omentale Spenderareale verwendet werden (4). Zusätzlich werden meist LVA durchgeführt, um den Lymphabfluss zu optimieren.

Zusammenfassung

Das Lymphödem ist bei Patientinnen mit Status nach Mammakarzinomtherapie eine weit verbreitete Komplikation, welche kausal ausschliesslich durch entweder eine LVA oder einen VLNT, auch in Kombination mit einer LVA, behandelt werden kann. Diese mikrochirurgischen Operationen sind sehr effizient und, verglichen mit anderen lymphchirurgischen Eingriffen wie «Debulking»-Operationen, wesentlich weniger invasiv. Daher sind wir der Meinung, dass LVA und VLNT eine entscheidende Rolle in der Therapie des Lymphödems spielen und als einzige kausale Therapieoptionen in Zukunft den Goldstandard darstellen werden.

Autor:
Prof. Dr. med. Mario F. Scaglioni 
Facharzt FMH für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie
Handchirurgie und Lymphchirurgie | Co-Chefarzt

LEO CLODIUS LYMPHATIC CENTER

Zentrum für Plastische Chirurgie Pyramide AG
Bellerivestrasse 34
CH-8034 Zürich
+41 44 388 14 14


In Zusammenarbeit mit:
Dr. med. Caroline Sophie Fritz
Fachärztin FMH für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie



Referenzen:
1. Zou L et al.: The incidence and risk factors of related lymphedema for breast cancer survivors post-operation: a 2-year follow-up prospective cohort study. Breast Cancer. 2018; 25(3): 309-314.
2. Rönkä R et al.: Breast lymphedema after breast conserving treatment. Acta Oncol. 2004; 43(6): 551-557.
3. Warren AG et al.: Lymphedema: a comprehensive review. Ann Plast Surg. 2007; 59(4): 464-472.
4. Garza R et al.: A comprehensive overview on the surgical management of secondary lymphedema of the upper and lower extremities related to prior oncologic therapies. BMC Cancer. 2017; 17(1): 468.

Alle Abbildungen: ©Scaglioni